Als das Internetportal „NachDenkSeiten“ Ende 2003 startete, hatte es den Anspruch, einem marktradikalen Mainstream kritisches Wissen und Aufklärung entgegenzusetzen. Es war lange ein von vielen „klassisch linken“ Kreisen geschätztes Informationsmedium. Inzwischen werden in den Beiträgen des Blogs Verschwörungstheorien als „Gegenöffentlichkeit“ verkauft: So verbreiten die „NachDenkSeiten“ 9/11–Mythen, bieten „Querdenkern“ eine Bühne oder loben eine Rede von Alexander Gauland überschwänglich. Nach dem EU-weiten Verbot des russischen Propagandakanals „Russia Today“ im März 2022 wird deren Online-Chef schon drei Monate später zu einem Redakteur der „NachDenkSeiten“, wird zur Bundespressekonferenz entsandt und darf regelmäßig russische Desinformation verbreiten.
Die „NachDenkSeiten“ skandalisieren Schwachpunkte von Demokratien und strafen sie dafür in Gänze mit hämischer Verachtung ab. Humanitäre Werte und Menschenrechte werden als Verpackungsschwindel westlicher Machtinteressen delegitimiert - zaristische Großmachtansprüche und der imperiale Angriffskrieg gegen die Ukraine rühren sie dagegen kaum. Mit ihrer verqueren Herrschaftskritik ebnen sie für ihre linken Leser:innen den Weg in die Gefilde einer fundamentaloppositionellen Querfront.
Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Markus Linden hat sich in einer ausführlichen Fallstudie mit den Nachdenkseiten beschäftigt. In seinem Vortrag erläutert er, ob der Blog Teil eines von links kommenden Anti-System-Feldes ist, das sich zwar vom Rechtsextremismus abgrenzt, aber das Bild einer querfrontähnlichen Allianz zumindest billigend in Kauf nimmt. Wie radikal ist die Widerstandsrethorik der NachDenkSeiten? Welche Netzwerke sind auszumachen? Linden geht dabei auch der Frage nach, inwieweit sich die „NachDenkSeiten“ zu einem Scharnier für Verschwörungstheorien gewandelt haben. Im anschließenden Gespräch mit dem Rechtsextremismusexperten Fabian Jellonnek diskutiert Markus Linden über
• die Funktion von Verschwörungsnarrativen und Putin-Propaganda in selbsterklärten „Gegenmedien“,
• die Bedeutung unterschiedlicher „Gegenmedien“ bei der Radikalisierung verschwörungsideologischer Mischszenen und
• ob sich aus einer solchen Querfront eine reale Machtoption für die Feinde der offenen Gesellschaft entwickeln kann.
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